Pressekonferenz von Kanzler Scholz und Präsident Selenskyj (2024)

Die Ukraine hat eine Zukunft vor sich, die sie sich selbst gewählt hat: in Frieden, in Freiheit, in Demokratie und Europa. Kanzler Scholz stellte auf derUkraine Recovery Conference 2024 klar: Wir werden in unserer Unterstützung nicht nachlassen. Wir stehen weiter fest an der Seite der Ukrainerinnen und Ukrainer.

Und lesen Sie hier die Mitschrift der Pressekonferenz:

Bundeskanzler Scholz: Sehr geehrter Herr Präsident, es ist schön, dich wieder hier in Berlin zu begrüßen. Für die dritte Ukraine Recovery Conference versammeln wir die wichtigsten Unterstützerinnen und Unterstützer der Ukraine heute und morgen hier in Berlin. Unser Ziel ist klar: Die Freiheit, die Souveränität und die territoriale Integrität der Ukraine zu erhalten. Zum ersten Mal findet eine solche Konferenz in einem Mitgliedsland der Europäischen Union statt, was umso wichtiger ist, weil die Ukraine erstmals auch als EU-Beitrittskandidat an dieser Konferenz teilnimmt. Beides kommt hier zusammen.

Die Ukrainerinnen und Ukrainer verteidigen sich seit fast zweieinhalb Jahren heldenhaft gegen den russischen Aggressor. Sie haben dabei eine Zukunft vor Augen, die sie für sich gewählt haben –eine Zukunft in Frieden, in Freiheit, in Demokratie und in Europa. Auf diesem Weg wollen wir euch begleiten, lieber Wolodymyr. Deshalb engagieren wir uns auch auf dieser Konferenz für den Wiederaufbau einer starken, freien, europäischen Ukraine.

Deutschland steht von Anfang an eng an der Seite der Ukraine. Wir unterstützen euren mutigen Verteidigungskampf finanziell, humanitär, politisch und mit der Lieferung von Waffen. Seit Kriegsbeginn hat die Bundesregierung neben umfangreichen militärischen Hilfen auch viele Milliarden Euro an ziviler Unterstützung geleistet, und wir werden euch weiter unterstützen, so lange es nötig ist. Darauf kannst du dich verlassen!

Deshalb haben wir bei deinem letzten Besuch in Berlin im Februar eine Vereinbarung über unsere bilaterale Sicherheitszusammenarbeit und langfristige Unterstützung unterschrieben. Diese Vereinbarung zeichnet vor, wie wir uns gemeinsam mit internationalen und europäischen Partnern für den langfristigen Wiederaufbau der Ukraine einsetzen. Klar ist: Das ist eine gigantische Aufgabe. Sie wird uns, unseren Partnern und der Ukraine außerordentliche Anstrengungen abverlangen - so groß ist die Zerstörung, die Putin mit seinem imperialistischen Krieg in der Ukraine Tag für Tag verursacht.

Es ist klug, dass wir uns schon jetzt über die entscheidenden Wegmarken und wichtigsten Voraussetzungen für einen gelungenen Wiederaufbau Gedanken machen. Deshalb wollen wir unsere Wirtschaftsbeziehungen ausbauen und alle staatlichen und gesellschaftlichen Kräfte in der Ukraine einbinden. Es freut mich daher ganz besonders, dass sich so viele Vertreterinnen und Vertreter der Region, der Städte und Gemeinden und der ukrainischen Zivilgesellschaft heute auf den Weg nach Berlin gemacht haben, und ich freue mich über das große Engagement der deutschen Wirtschaft in der Ukraine. Der Wiederaufbau des Landes wird massive Investitionen benötigen. Ohne privates Kapital wird das nicht möglich sein.

Zur Erinnerung: Wir sprechen über den Wiederaufbau eines künftigen Mitgliedstaates der Europäischen Union. Die Ukraine hat enormes Potenzial bei erneuerbaren Energien und Wasserstoff, aber auch in aufstrebenden Sektoren wie Digitalisierung und IT, Gesundheitstechnologie und Pharmaindustrie. Diese Branchen werden auf unserer Konferenz besonders im Fokus stehen.

Drei zentrale Punkte möchte ich hervorheben:

Erstens. Den Business Development Fund unterstützen wir zusammen mit internationalen Partnern und wollen ihn weiter ausbauen. Damit sollen vor allem kleine und mittlere Unternehmen gestärkt werden.

Zweitens. Darüber hinaus braucht es Möglichkeiten, den Zugang von ukrainischen Unternehmen zu Kapital zu verbessern. Ich freue mich daher, dass die heute angekündigte Initiative der EU-Kommission zur Unterstützung von Eigenkapitalfonds wichtiges Kapital für Unternehmen in der Ukraine mobilisieren wird.

Drittens. Mit dem UkraineInvest Guide bündeln wir Informationen zu Förderangeboten für Unternehmen, die sich in der Ukraine engagieren.

Neben all dem werden wir des Weiteren über die Zusammenarbeit unserer Rüstungsindustrie diskutieren –ein wichtiger Schritt.

Meine Damen und Herren, mit dieser Wiederaufbaukonferenz beginnt eine Woche wichtiger internationaler Gipfel, bei der die Ukraine immer im Zentrum stehen wird. Lieber Wolodymyr, schon übermorgen werden wir uns beim G7-Gipfel in Apulien wiedersehen. Ich werde mich dort für weitreichende und langfristige Unterstützungszusagen für die Ukraine einsetzen.

Im Anschluss daran werden wir mit Staaten aus der ganzen Welt zum ersten Gipfel für Frieden in der Ukraine in der Schweiz zusammenkommen. Dort werden wir uns über Grundsätze für einen gerechten, dauerhaften Frieden austauschen. Das sind noch keine Verhandlungen über ein Ende des Krieges. Denn dafür müsste Putin erkennen lassen, dass er bereit ist, seinen brutalen Feldzug zu beenden und Truppen zurückzuziehen. Doch vielleicht kann ein Weg aufgezeigt werden, wie ein Einstieg in einen Prozess gelingen könnte, bei dem eines Tages auch Russland mit am Tisch sitzt. Wann die Zeit dafür reif ist, das entscheidet einzig und allein die Ukraine.

Solange aber Putin erbarmungslos an seinen Kriegszielen festhält, wird unsere Botschaft lauten: Wir werden in unserer Unterstützung der Ukraine nicht nachlassen. Wir stehen weiter fest an der Seite der Ukrainerinnen und Ukrainer – „slava ukraini“.

Präsident Selenskyj: Vielen Dank an dich, Olaf. Verehrter Herr Bundeskanzler, liebe Freunde, anwesende Journalisten, ich freue mich über Ihre Aufmerksamkeit für die Ukraine und die Möglichkeit, heute unsere Beziehungen zwischen der Ukraine und Deutschland auf ein höheres Niveau zu heben.

Heute findet in Berlin eine Konferenz für die Resilienz und den Wiederaufbau der Ukraine statt. Man kann sagen: Das ist bereits jetzt ein ergebnisreiches Ereignis. Ich danke dir, Olaf, für die vollumfängliche praktische Unterstützung unserer Arbeit durch die Konferenz. Das ist das, worüber wir sprechen wollen.

Hier sind heute ukrainische und deutsche Regierungsvertreter sowie Gemeinden und Unternehmen vertreten. Es geht darum, dass wir einen besseren Schutz des Lebens in der Ukraine erreichen können. Ich danke jedem – dem deutschen Staat, jedem deutschen Bundesland und jedem Unternehmen –, die bereits jetzt zusammenarbeiten. Denn gemeinsam, als Freunde, sind wir stärker.

Unsere Hauptakzente liegen heute natürlich bei der Luftabwehr und der Energiewirtschaft. Das sind die Bereiche, in denen wir uns um ein normales Leben bemühen müssen. Deutschland ist führend in der Unterstützung der Ukraine beim Schutz unseres Himmels mit Patriot-Systemen. Heute gibt es eine neue Entscheidung zur Luftabwehr, nicht nur mit Patriots. Deutschland ist schon heute zum Retter tausender Leben von Ukrainern geworden, die es vor russischem Terror geschützt hat. Das ist das, wofür die Ukraine immer dankbar sein wird.

Es ist wichtig, dass die Fähigkeit, die Ukraine anzugreifen, begrenzt wird. Das heißt dann, dass Russland seine Nachbarn nicht mehr terrorisieren kann. Der Hauptvorteil, den Putin hat, sind Raketenschläge, mit Gleitbomben, mit Drohnen. Wir müssen heute einen Blackout des russischen Terrors sicherstellen. Wir sind gemeinsam mit Deutschland dazu in der Lage.

Wir haben sehr genau darüber gesprochen, was man in den nächsten Monaten und Jahren für die Sicherstellung einer ausreichenden Energieversorgung der Ukraine tun kann. Ich danke den Partnern für das Verständnis unserer Bedarfe. Das betrifft Deutschland und andere Partner, die auf der Konferenz sind, gemeinsam mit den Partnern der G7.

Es geht auch um den Friedensgipfel, der auf unsere Initiative hin bereits in dieser Woche stattfinden wird. Hier wird tatsächlich ein fairer Friedensprozess angestoßen werden. Deutschland unterstützt das, und wir schätzen das in der Ukraine sehr. Vielen Dank.

Und noch eins: Wir haben heute auch über die europäische Integration der Ukraine gesprochen. Die Ukraine hat ihre Voraussetzungen erfüllt – das, was nötig war, damit wir tatsächlich die Verhandlungen über einen Beitritt zur Europäischen Union beginnen können. Ich danke dir, Olaf, für die Unterstützung unseres Staates und unserer Menschen auch auf dem Weg in die Europäische Union. Das ist sehr wichtig. Es ist wichtig, dass Europa auch seine Garantien erfüllen kann und wir gemeinsam eine globale Führung Europas sicherstellen können. Vielen Dank.


Fragerundeim Anschluss:

Frage: Eine Frage an Präsident Selenskyj: Kanzler Scholz hat gesagt, dass viele Menschen, viele Ukrainer, die im Ausland Schutz gefunden haben, einer der Motoren der führenden Kräfte beim Wiederaufbau der Ukraine sein werden. Ich möchte gern hören: Was wollen Sie dafür tun, damit die Menschen zurückkehren – insbesondere auch, was die Energiewirtschaft betrifft?

Eine Frage an Bundeskanzler Scholz: Vielen Dank, dass Deutschland so viele Anstrengungen unternommen hat, um den Friedensgipfel in der Schweiz mit vielen Teilnehmern stattfinden zu lassen. Sie haben zu einem fairen Frieden aufgerufen. Wann wird denn der Moment eintreten, an dem man Russland zu Gesprächen einladen kann?

Präsident Selenskyj: Die Energiewirtschaft ist natürlich auch ein wichtiges Problem und eine große Belastung für die Unternehmen. Denn wir haben die Hälfte unserer Erzeugungskapazitäten eingebüßt. Trotzdem arbeiten wir. Wir erneuern und bauen die Energiewirtschaft wieder auf. Zum Glück helfen uns dabei auch unsere Atommeiler, die wieder ans Netz gehen. Es geht dabei auch um die Wasserversorgung. Gleichzeitig arbeiten wir in Zusammenarbeit mit vielen Fonds und Stiftungen an einem dezentralisierten Energieversorgungssystem.

Wir brauchen natürlich auch Kredite. Wir brauchen Finanzen auch im privaten Sektor, weil die Wärmeversorgung durch Russland zerstört wurde. Das sind ja auch Unternehmen, die entsprechend Geld erwirtschaften. Bei dem Treffen heute haben wir darüber gesprochen, dass wir entsprechende Fonds brauchen.

Was den Wiederaufbau insgesamt betrifft, so wird natürlich der globale Wiederaufbau nach dem Ende des Krieges stattfinden. Es ist nicht notwendig, die Ukrainer mit großen Losungen aufzurufen, in ihr Land zurückzukehren. Aber nach dem Ende des Krieges wird es Sicherheit geben, es wird auch Arbeitskräfte geben. Ich denke, das wird eine große Motivation sein, zurückzukehren.

Was den heutigen Tag betrifft, so können wir niemanden dazu zwingen. Aber ich möchte sagen: Wenn jemand heute, in einer so schwierigen Zeit, in die Ukraine kommen möchte, um beim Wiederaufbau des Staates, bei der Erneuerung des Staates, zu helfen, dann unterstützen wir das natürlich. Es gibt Menschen, die ohne Unterkunft sind. Sie brauchen Hilfe. Dafür brauchen wir Arbeitskräfte. Wir haben ja gerade durch den Krieg viele Arbeitskräfte verloren. Es gibt Menschen, die ins Ausland ausgereist sind, die heute bereit sind, der Ukraine zu helfen, etwa durch Infrastrukturobjekte, oder ehrlich in Unternehmen zu arbeiten oder die Armee zu unterstützen. Auch solche Entscheidungen unterstützen wir natürlich.

Bundeskanzler Scholz: Die Friedenskonferenz, die jetzt in der Schweiz stattfindet, ist sehr wichtig. Wir haben die Bemühungen der Ukraine intensiv unterstützt, und es war ja auch ein großer Erfolg, dass es so viele Tagungen im Vorfeld gegeben hat. Ich darf noch einmal daran erinnern: Außen- und sicherheitspolitische Berater sind zusammengekommen – in Kopenhagen, in Dschidda, in Valletta und in Davos. Jetzt ist das der nächste Schritt, nicht der letzte, aber ein ganz wichtiger, im Rahmen, dessen wir über viele konkrete Fragen sprechen, die im Zusammenhang mit diesem Krieg zu bereden sind, auch aus humanitärer Sicht. Aber das ist dann die Grundlage für einen weiteren Schritt. Deshalb ist das die Pflanze, die wir jetzt gießen, und wir hoffen, dass möglichst viele dabei helfen und dass das ein sich gut entwickelnder Garten wird, der dann die Möglichkeit für eine friedliche Entwicklung schafft.

Russland muss natürlich einen Beitrag für eine friedliche Entwicklung leisten, das heißt, den Krieg beenden und auch Truppen zurückziehen. Das zeichnet sich nicht ab. Aber darum muss es gehen. Das gilt auch für die Perspektive weiterer Konferenzen.

Frage: Herr Bundeskanzler, der französische Präsident plant, Militärausbilder in die Ukraine zu schicken, und will dafür auch eine internationale Allianz bilden. Sie haben bereits gesagt, dass sich Deutschland daran nicht beteiligen wird. Sind Sie denn damit einverstanden, wenn andere Nato-Staaten das machen, oder würden Sie darin ein Eskalationsrisiko sehen?

Da Sie eben in Ihrer Rede auch nochmals betont haben, wie wichtig die Luftverteidigung ist, und Präsident Selenskyj gerade gesagt hat, dass heute neue Entscheidungen jenseits von Patriot anstehen: Um was handelt es sich dabei genau?

Herr Präsident Selenskyj, Deutschland und andere Verbündete haben Ihnen erlaubt, mit westlichen Waffen russisches Territorium anzugreifen, um die Stadt Charkiw zu schützen. Reicht Ihnen diese Regelung aus, oder würden Sie die gerne weiter ziehen?

Werben Sie bei Bundeskanzler Scholz weiterhin dafür, weitreichendere Waffen in die Ukraine zu schicken, oder haben Sie inzwischen die Hoffnung aufgegeben, dass Sie jemals Taurus-Marschflugkörper erhalten werden?

Bundeskanzler Scholz: Schönen Dank für die vielen interessanten Fragen! – Ich will gerne sagen, dass wir unverändert diejenigen sind, die in Europa die meiste Unterstützung für die Ukraine gewährleisten, sowohl in finanzieller als auch in humanitärer Hinsicht, aber eben auch, wenn es um Waffen geht. Der Präsident selbst hat ja schon über die Luftverteidigung gesprochen. Da sind wir konstant dabei, das weiter auszubauen und das voranzutreiben. Das ist für uns ein ganz wichtiger Punkt, und das wird auch nicht zu Ende gehen, sondern für uns ist das ganz zentral.

Wir hoffen übrigens unverändert, dass wir mit unseren Initiativen auch andere dazu anregen können, dass sie da noch etwas tun, sodass daraus insgesamt die notwendige Stärke zur Verteidigung der Ukraine entsteht.

Wie Sie wissen, haben wir uns entschieden, das, was wir an Unterstützung leisten, auf unserem eigenen Territorium zu machen, wenn es um Ausbildung geht, und an dieser Entscheidung ändert sich nichts.

Präsident Selenskyj: Vielen Dank für Ihre Frage. Zunächst einmal bin ich dankbar für das Unterstützungspaket aus Deutschland und auch für die Ankündigung hinsichtlich des Patriot-Systems sowie für die Ausbildung unseres Teams. Außerdem schätzen wir die Qualität und die Zielgenauigkeit der IRIS-T-Systeme. Wir haben ja gemeinsam mit dem Team von Olaf Scholz gearbeitet, um all diese Prozesse zu beschleunigen, damit die entsprechenden Systeme möglichst schnell bei uns eintreffen. Unabhängig davon ist der Produktionsprozess einiger Systeme, die wir sehr dringend benötigen, natürlich sehr schwierig.

Ich möchte hier ausdrücklich der deutschen Seite dafür danken, dass sie diese Zeiträume begrenzen konnte; denn unsere Ukrainer leben jeden Tag und kämpfen jeden Tag, insbesondere dort, wo die Kontaktlinie zu den Okkupanten verläuft. Da ist es besonders schwer. Es gibt eine große Zahl von Bomben. Heute habe ich die Zahlen erhalten: In den letzten 24 Stunden hat Russland 135 Gleitbomben eingesetzt. Jede von ihnen wiegt ungefähr eine Tonne. Das ist außerordentlich schwierig. Sie verstehen, dass wir dagegen Luftabwehrsysteme brauchen. Wir brauchen komplexe Lösungen dafür, und genau darüber haben wir heute mit Olaf gesprochen. Ich hoffe, dass es uns gelingen wird. Einige Dinge sollte man nur leise besprechen, bevor sie nicht endgültig entschieden sind.

Frage: Ich möchte das Thema des Schweizer Friedensgipfels aufgreifen, von dem der Bundeskanzler und der Präsident gesprochen haben. Welche Treffen werden auf diesem Treffen die erfolgreichsten sein, wenn man das bereits prognostizieren kann?

Präsident Selenskyj: Dieser Gipfel ist bereits ein Ergebnis. Es ist sehr schwierig, die Verbündeten, die Partner und ihren Zusammenhalt nicht zu verlieren und einen Zusammenhalt mit Nichtpartnern zu schaffen. Das ist sehr schwierig für die Ukraine während des Krieges, der nicht erst einen Monat anhält. Jemand spricht auch davon, dass man wirtschaftliche Einkünfte aus der Zusammenarbeit mit Russland erlangen kann. Dass dieser Gipfel stattfindet, ist bereits ein Erfolg. Das ist ein Weg, der Weg zum Frieden. Ich bin mir sicher, dass sich dieser Weg fortsetzen wird. Aber das ist der erste Schritt auf diesem Weg. Sie wissen, dass ja auch verschiedene Treffen auf russischem Territorium stattgefunden haben, beispielsweise im Rahmen der BRICS, um eine andere Initiative ins Leben zu rufen.

Unsere Initiative ist bereits ein Erfolg. Es ist so wichtig, dass wir dieses Treffen einberufen haben; denn der Krieg wird gegen uns geführt, auf unserem Gebiet. Wir möchten natürlich möglichst viele Staaten zu diesem Treffen zusammenbringen. Wir möchten sie hören. Natürlich wird sich niemand einfach schweigend gewissen Initiativen anschließen. Es geht um komplexe Entscheidungen, um eine solch große Anzahl von Ländern zusammenzubringen. 100 Staaten aus der ganzen Welt, denke ich, werden auf diesem ersten Friedensgipfel vertreten sein. Das ist ganz wichtig. Als Zweites ist wichtig, auch die Initiative nicht zu verlieren, sondern als Drittes diese Initiative nicht Russland zu übergeben; denn Russland hat seine Initiative bereits vorgeführt –am Tag des Beginns des Überfalls auf die Ukraine, des vollumfänglichen Krieges. Wir müssen sehr gewissenhaft daran arbeiten, damit wir uns dort einbringen können.

Es gibt drei Themen, die wir besprechen müssen. Das sind die Atomsicherheit, die Ernährungssicherheit und die Rückführung der gestohlenen ukrainischen Kinder nach Hause.

Bundeskanzler Scholz: Ich will nicht viel ergänzen. Es ist wichtig, dass die Konferenz stattfindet. Das allein ist schon ein Erfolg. Sie ist außerdem eine Verhandlung über viele Themen. Wolodymyr hat einige davon genannt, hinsichtlich der wir auch versuchen werden, gemeinsame Positionen zu finden, etwa, was die Sicherheit von Atomkraftanlagen betrifft, was die Nutzung von Atomwaffen betrifft, was die Frage von Getreideexporten betrifft, was die Frage der entführten Kinder betrifft. Es wäre sehr schön, wenn dabei Fortschritte erreicht werden können. Viele andere Dinge sind dann auch Gegenstand von Diskussionen.

Indem sich so viele Staaten der Welt mit der Frage dieses Kriegs und der damit entstehenden humanitären und anderen Probleme beschäftigen, entsteht Kraft für mehr, und das ist ja das, was wir auch erreichen wollen, sodass bei Folgekonferenzen dann mehr und zusätzliche Verständigungen möglich sind, aber vielleicht auch etwas entsteht, das uns dann einem Frieden näherbringt.

Frage: Ich habe zwei Fragen, die ich an Sie beide stellen möchte.

Bei den Europawahlen haben rechtsgerichtete Parteien sehr gut abgeschnitten, und Parteien der Mitte sowie Ihre Partei haben schlecht abgeschnitten. Wird das Ihre Fähigkeiten behindern, der Ukraine auf europäischer Ebene zu helfen? Denn Europa muss ja zusammenarbeiten.

Präsident Selenskyj, haben Sie Angst, dass die politischen Winde in Europa in eine schlechte Richtung wehen?

Zweitens: Wir sind hier bei der Wiederaufbaukonferenz, aber die Ukraine würde weniger Wiederaufbau brauchen, wenn die russischen Truppen das Territorium schnell verlassen würden. Ist es nicht an der Zeit, dass die Ukraine drastisch mehr Waffen erhält und diese Waffen dort einsetzen kann, wo sie es für richtig hält?

Präsident Selenskyj, Sie brauchen auch genügend Truppen, um diese Waffen zu nutzen. Werden Sie in der Lage sein, genug Soldaten zu mobilisieren, um eine Gegenoffensive starten zu können, um die Russen aus Ihrem Land zu vertreiben?

Bundeskanzler Scholz: Die europäischen Wahlen haben klare Ergebnisse gebracht. Eine übergroße Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger unterstützt Parteien, die auch richtig finden, dass die Ukraine unterstützt werden muss. Das gilt für Deutschland, das gilt aber auch, wenn wir das Europäische Parlament insgesamt betrachten.

Klar mache ich mir aus vielen Gründen Gedanken über das Wachstum rechtspopulistischer und auch rechtsextremer Parteien in vielen Ländern Europas, hierzulande und manchmal noch viel mehr in anderen Ländern. Deshalb ist es unsere Aufgabe, uns niemals damit abzufinden, sondern den Rahmen zu schaffen, der es möglich macht, dass der politische Wettbewerb zwischen Parteien stattfindet, die zwar unterschiedliche Ansichten über das eine oder andere politische Handwerk oder über die eine oder andere politische Frage haben, aber die einen großen Konsens über die Anforderung für unsere demokratischen Rechtsstaaten, für unsere sozialen Staaten, für unsere Marktwirtschaft miteinander teilen. Das ist, glaube ich, das, worum es geht.

Wir brauchen Zuversicht für die Zukunft, und natürlich ist die immer berührt, wenn ein Krieg in unmittelbarer Nähe stattfindet. Insofern ist eine kluge, besonnene Politik auch die Grundlage dafür, dass man in so großem Umfang Unterstützung für die Ukraine leisten kann, wie wir das heute tun. Genau das machen wir. Auch unsere Entscheidungen in letzter Zeit haben das sehr deutlich gemacht. Deutschland ist nicht nur der größte Unterstützer der Ukraine in Europa, wir werden es auch bleiben.

Präsident Selenskyj: Ich denke, ein Kommentar zu den Wahlen in Deutschland wäre meinerseits nicht angebracht. Ich denke, dass jedes Volk die Führung auswählt, die ihm zusagt. Natürlich ist für mich wichtig, dass die Menschen nicht einfach pro-russische, populistische Lösungen wählen. Ich denke, das ist gefährlich, und zwar nicht für die Ukraine – wir sind auch so in der unsichersten Situation, die man haben kann; wir sind im Krieg –,sondern diese russischen beziehungsweise pro-russischen Lösungen sind gefährlich für Ihre Länder.

Was die Waffen angeht, von denen Sie gesprochen haben, bin ich mir nicht sicher, ob ich Ihre Frage richtig verstanden habe. Meinten Sie, ob nicht der Moment gekommen sei, dass uns die Partner all die Waffen geben sollten, um die Russen aus dem Land zu schmeißen? – Ja, dieser Moment ist da. Aber ich sehe das alles sehr nüchtern.

Das gilt auch für die Frage der Mobilisierung und die Frage, ob wir genügend Truppen haben. Wir haben Kriegsrecht und die Mobilisierung ist ein Thema. Der Krieg herrscht nicht erst seit einem Tag. Wenn wir unseren Staat erhalten wollen, dann müssen wir ihn verteidigen.

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