Bürgenstock: Amherd und Scholz für breite Ukraine-Konferenz (2024)

Die Mitte Juni auf dem Bürgenstock geplante hochrangige Ukraine-Konferenz war eines der Hauptthemen des Besuchs der Schweizer Bundespräsidentin Viola Amherd in Berlin. Gesprochen wurde auch über Bahn und Wasserstoff.

René Höltschi, Berlin

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Bürgenstock: Amherd und Scholz für breite Ukraine-Konferenz (1)

Die Schweiz hat für die Mitte Juni geplante Ukraine-Friedenskonferenz bisher Zusagen von über 50 Ländern erhalten. China sei aber noch nicht darunter. Dies sagte die Schweizer Bundespräsidentin und Verteidigungsministerin Viola Amherd am Mittwoch an einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz. Ähnlich wie beim Berliner Besuch von Amherds Vorgänger Alain Berset vor einem Jahr war der russische Angriff auf die Ukraine das Hauptthema des Treffens.

Die Patriot-Frage

Der Sozialdemokrat Scholz verwies einmal mehr auf die umfangreichen deutschen Waffenlieferungen. Es sei wichtig, «dass wir alles dafür tun, dass sich die Ukraine verteidigen kann». Deutschland habe Lieferungen im Wert von 28 Milliarden Euro getätigt oder zugesagt, darunter in letzter Zeit auch ein drittes Patriot-Flugabwehrsystem. «Das ist aber von uns aus auch eine Anregung – um es höflich zu formulieren – an viele andere in anderen Ländern, die über solche Systeme verfügen, selber darüber nachzudenken, ob sie solche Systeme liefern können.»

Hierauf wurde Amherd von einem Journalisten gefragt, ob die Schweiz bereit wäre, bei den bestellten amerikanischen Patriot-Systemen zugunsten der Ukraine zurückzutreten. Die Bundespräsidentin antwortete, die Regierung habe sich bisher mit dieser Frage noch nicht beschäftigt, weshalb sie einem Entscheid nicht vorgreifen könne. Sie könne nur sagen, dass sie mit ihrem deutschen Amtskollegen Boris Pistorius im Gespräch sei.

Bekannt ist, dass sich Pistorius im Rahmen seiner Flugabwehr-Initiative für die Ukraine auch an die Schweiz gewandt hat. Die von der Schweiz bestellten Patriot-Systeme, die allenfalls für eine Art neutralitätskonformen Ringtausch mit westlichen Staaten infrage kämen, sollen allerdings frühestens ab dem Jahr 2026 geliefert werden. Die Ukraine aber braucht die Abwehr jetzt.

Hoffnung auf den Bürgenstock

Scholz hat Amherd laut eigenen Worten versichert, dass Deutschland alles dafür tun werde, dass die hochrangige Konferenz auf dem Bürgenstock erfolgreich werde, «auch wenn dort nicht der Frieden verhandelt wird, sondern Fragen, die anstehen». Gemeint sind damit etwa die Sicherheit des Atomkraftwerks Saporischja, Getreideexporte und der Gefangenenaustausch. Ähnlich wie Amherd betonte der Kanzler, wie wichtig es sei, dass die Gruppe der Teilnehmer möglichst breit sei und auch Länder umfasse, «die nicht zu den unbedingten Unterstützern der Ukraine gehören».

Laut Amherd soll die Konferenz «einen Friedensprozess starten». Etwa die Hälfte der bisherigen Anmeldungen würden aus nichteuropäischen Staaten stammen, darunter Länder aus Südamerika, Afrika und dem Nahen Osten. China habe sich bisher nicht angemeldet, doch gehe man davon aus, dass es noch bis zum letzten Moment Änderungen in der Teilnehmerliste geben wird.

Scholz selbst hat seine Teilnahme an der Konferenz bereits angekündigt und bei seinem jüngsten Besuch in Peking auch für die Veranstaltung geworben. Russland gehört nicht zu den rund 160 eingeladenen Staaten.

Versprechen zur Bahn

Zu den besprochenen bilateralen Themen zählten laut Amherd vor allem Verkehrs-, Energie- und Migrationsfragen. Im Energiebereich habe man unter anderem die Möglichkeit einer künftigen Transitroute für Wasserstoff von Italien durch die Schweiz nach Deutschland diskutiert. Scholz betonte, dass «die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der irregulären Migration an der deutsch-schweizerischen Grenze vorbildlich ist und mit grosser Präzision erfolgt».

Im Schienenverkehr sei für die Schweiz der Rhein-Alpen-Korridor von grosser Bedeutung, sagte Amherd. Damit das Potenzial der Bahnverbindungen durch die Alpen voll ausgeschöpft werden könne, brauche es gut ausgebaute Zulaufstrecken im Norden und im Süden. Deutschland tut sich damit seit langem schwer. Scholz scherzte später als Antwort auf eine Frage zur Bahn, man habe kurz erörtert, ob die Schweiz die Deutsche Bahn (DB) übernehmen wolle, habe die Idee dann aber verworfen. Dann wies er darauf hin, dass Deutschland die Kapitalausstattung der DB massiv erhöht habe, um Investitionen in das bestehende Netz, aber auch den Ausbau möglich zu machen. Dazu würden selbstverständlich auch die Zuläufe zur Schweiz gehören. «Wir tun alles, damit das bald super wird.»

Ausgetauscht haben sich Amherd und Scholz auch über die neuen Verhandlungen der Schweiz mit der EU über ein umfassendes Vertragspaket. Er wünsche sich, dass die Verhandlungen zügig zu einem erfolgreichen Abschluss kommen würden, sagte der Bundeskanzler. Am Donnerstagmorgen wird Amherd ihren Besuch in Berlin mit einem Treffen mit Bundespräsident Franz-Walter Steinmeier abschliessen.

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